Der Rohstoff Kobalt wird – wie hier in einer Mine in der Demokratischen Republik Kongo – oft unter widrigsten Arbeitsbedingungen abgebaut. Kobalt ist ein wichtiger Bestandteil für wiederaufladbare Batterien (Archivaufnahme) © Amnesty International
In den vergangenen Jahrzehnten ist immer deutlicher geworden, wie tief Unternehmen in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind. Sie sind mitverantwortlich für katastrophale Arbeitsbedingungen und fehlende Gewerkschaftsrechte beispielsweise in der Textil- oder Elektronikbranche, die Zerstörung der Umwelt bei der Förderung von Erdöl, Kohle oder anderen Rohstoffen, für den massenhaften Ausstoß von Treibhausgasen sowie den Einsatz staatlicher Sicherheitskräfte zur Unterdrückung ihrer eigenen Mitarbeiter*innen oder der Vertreibung der einheimischen Bevölkerung.
Fast ebenso lange haben sich Amnesty International und andere Organisationen vergeblich darum bemüht, dass Unternehmen ihre Verantwortung für die Menschenrechte anerkennen und danach handeln. Zugleich müssen Regierungen endlich die Wirtschaft durch wirksame und verbindliche Regelungen in die Pflicht nehmen. Unternehmen und ihre Verbände haben lange entsprechende Regelungen abgewendet, meist unter Verweis auf “freiwillige Selbstverpflichtungen”. Diese waren kaum das Hochglanzpapier wert, auf dem sie gedruckt wurden.
Ein entscheidendes Datum auf dem Weg zur Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen ind nationalen Gesetzen war der 16. Juni 2011: An diesem Tag verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat einstimmig die 31 “UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte”. Zum ersten Mal wurde somit von Staaten, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und anderen Akteuren anerkannt, dass Unternehmen Menschenrechte respektieren und sich aktiv dafür einsetzen müssen. Dabei verpflichten die Leitprinzipien die Staaten, Menschenrechtsverstöße im Umfeld von Unternehmensaktivitäten zu verhindern oder zu unterbinden. Außerdem geben sie den Staaten auf, für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen im Umfeld von Unternehmen Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln sicherzustellen. Die UN-Leitprinzipien sind zwar kein verbindliches Völkerrecht, bieten aber den Rahmen, auf dessen Basis viele Staaten rechtsverbindliche Regelungen schaffen oder schon geschaffen haben. So wurde in Deutschland nach langem Zögern im Jahr 2021 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verabschiedet. Es schreibt menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten für Unternehmen verbindlich fest. Leider bleibt das LkSG hinter den Anforderungen von Amnesty International zurück, Firmen über die gesamte Wertschöpfungskette menschenrechtlich zu verpflichten.
Parallel zu nationalen Gesetzen wurde auf EU-Ebene ein Prozess begonnen, um eine entsprechende EU-weite Regelung zu verankern. Im Februar 2022 hat die EU-Kommission den Vorschlag für eine entsprechende Richtlinie vorgelegt. Diese Regelung soll Unternehmen dazu verpflichten, menschenrechtliche sowie umwelt- und klimabezogene Sorgfaltspflichten einzuhalten, also entlang ihrer Lieferketten und ihrem Vertrieb dafür sorgen, dass entsprechende Risiken und Verstöße identifiziert und verhindert werden. Dieser Entwurf enthält gegenüber dem deutschen LkSG einige Verbesserungen, ist aber nicht perfekt. Mittlerweile wurde der Entwurf vom Europäischen Rat kommentiert. Im Juni 2023 stimmte dann das Europäische Parlament mit Änderungen zu, so dass nun der so genannte Trilog zwischen Europaparlament, Rat und Kommission beginnt, um eine endgültige Fassung zu erarbeiten.
Um eine wirksame umfassende EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie zu erreichen, hat die deutsche Initiative Lieferkettengesetz eine Kampagne für ein starkes, wirksames europäisches Lieferkettengesetz gestartet. Amnesty International Deutschland gehört der Initiative als Trägerorganisation an. Übergeordnetes Ziel der Kampagne ist die wirksame, verbindliche Verankerung umfassender menschenrechtlicher, umwelt- und klimabezogener Sorgfaltspflichten für möglichst alle europäischen Unternehmen entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette – von Rohstoffen oder anderen Ausgangsmaterialien bis zu den Endkund*innen. Weiterhin muss das EU-Lieferkettengesetz Geschädigten die Möglichkeit bieten, vor Gerichten in Europa erfolgreich Schadensersatz gegenüber beteiligten Unternehmen einzuklagen. Zudem muss sichergestellt werden, dass Betroffene bei der Umsetzung des Gesetzes umfassend beteiligt werden.
Ein starkes EU-Lieferkettengesetz braucht Rückenwind aus Deutschland. Daher ruft die Initiative dazu auf, sich bundesweit an der aktuellen Petition an Bundeskanzler Olaf Scholz zu beteiligen. Zudem finden sich auf dieser “Mitmachen”-Seite noch weitere Aktionsmöglichkeiten.